Quatschhasen unter Bühnenstress PDF Drucken E-Mail
30. Dezember 2008 | Weißenburger Tagblatt

PLEINFELD – Wenn es nach Regisseur Rainer Braun gegangen wäre, hätten am Sonntag die «Pleinfelder Butzamoggl» mit ihrer Boulevardkomödie «Baby Baby Balla Balla» Premiere gefeiert. Da sein Namensvorschlag aber abgelehnt wurde, heißen die Sandhosn jetzt Sandhosn. Und ihre Premiere in der bis auf den letzten Platz besetzen Turnhalle der Grundschule Pleinfeld war ein riesen Erfolg.

Sein Hemd für die Premierenvorstellung hat Rainer Braun mit Sorgfalt ausgewählt. Zum einen steht dem Regisseur und Hauptdarsteller die Farbe dunkelblau vorzüglich. Zum anderen verdunkelt der Schweiß das Blau nur um Nuancen, ist also kaum sichtbar. Spürbar muss die Nässe aber doch gewesen sein, denn der Schweiß rann in Strömen. Trotzdem kuschelten sich Brauns Theaterpartnerinnen mit Leidenschaft an dessen breite, nasse Brust: erst Anja Rixner, die die konservative, leicht hysterische Ehefrau Belinda Liebermann mimte. Und dann Nadine Mangold als Katarina Libohova, die mit rußgeschwärzten Wangen und unverständlichem Kauderwelsch albanische Lieblichkeit auf die Bühne brachte.

Zwischen ihnen hetzte Braun als Thomas Liebermann über die Bühne: ein herzensguter Möchtegernvater, über den ausgerechnet am Tag der ersehnten Adoption das Chaos zusammenbricht. Das Publikum in der Turnhalle der Grundschule Pleinfeld musste hilflos mitansehen, wie Liebermann ein riesiges Lügengebirge über sich auftürmt, um das Schlimmste zu verhindern. In dem Bemühen, es am Zusammenbrechen zu hindern, reibt sich der Arme völlig auf: Er schreit, rennt, weint und verfällt mittendrin in Agressionen – und das Publikum kann nicht mehr aufhören zu lachen. Eigentlich ganz schön herzlos – aber trotzdem saukomisch.

Auf Boulevard spezialisiert

Die Pleinfelder Sandhosn haben sich auf Boulevardkomödien spezialisiert. Seit 2003 bringen sie jährlich ein solches Stück auf die Bühne. Mittlerweile füllen sie sechs Aufführungen mit je 250 Plätzen. Für eine Laientheatergruppe eine beachtliche Bilanz. Für den Erfolg gibt es viele Erklärungsansätze, aber doch kein bestimmtes Rezept. «Bevor ein Stück nicht optimal besetzt ist, spielen wir nicht», setzt Braun an.

Dann erzählt er schmunzelnd, wie er Matthias Rohrmann aus Cronheim im Bierzelt für die Rolle als naiven Polizisten anwarb. Und Nadine Mangold hat er bei einem Faschingsball entdeckt. Ja, Braun (der sich als Regisseur mit Thomas Miehling abwechselt) hat genaue Vorstellungen von den Charakteren. Er ist es auch, der die Stücke aus dem Englischen ins Fränkische übersetzt und bearbeitet. «Da muss Lokalkolorit rein und fränkische Mundart», erklärt er. Ein wunderbares Beispiel für eine Optimalbesetzung ist auch Christian Uhl. Er bringt die geistigen Aussetzer des Harald Liebermann sehr plastisch auf die Bühne: offener Mund, dümmlicher Blick, fahrige Bewegungen – Harald «Harry» Liebermann ist ein liebenswerter Dummkopf. Schon wenn er auf die Bühne tritt, beginnen die ersten zu lachen. Alles weitere steuert das Manuskript bei: Harry hat nämlich die geniale Idee, Leichenteile im Garten seines Bruders Thomas zu vergraben, um den Kaufpreis zu senken. Weil der große Bruder von dieser Idee gar nicht begeistert ist, sind die Brüder ständig damit beschäftigt, Leichenteile zu entsorgen.

Zigaretten und Flüchtlinge

Der dritte der Liebermann-Brüder ist auch der coolste: Dieter «Didi» Liebermann (gespielt von Sebastian Braun), ist ein Frauenheld und notorischer Kleinkrimineller. Er schmuggelt in Thomas’ Campingbus nicht nur 200 Kartons Zigaretten, sondern auch zwei albanische Flüchtlinge über die tschechische Grenze: die bereits erwähnte Nadine Mangold und ihren «Opa» Ralph Schernbacher.

Das «Albanisch» der beiden ist zwar nicht astrein, die Schauspielkünste sind es umso mehr. Während Mangold vor den Augen eines Polizisten und des Publikums ungerührt einen Laib Brot und drei Meter Wurst verzehrt, torkelt der Opa mit Zigarette und Schnaps über die Bühne. Beide brabbeln, schreien und wanken – und das Publikum hat einen Heidenspaß.

Bis zur publikumsreifen Belustigung war es ein langer Weg. Im Juli wurden die Manuskripte an die Schauspieler ausgegeben, Anfang September begannen die Trockenproben. «Da sitzen wir im Kreis und rattern nur den Text runter», erklärt Braun. Irgendwann kommt dann die Handlung dazu und ab Oktober proben die Sandhosn nur noch «nass», also mit Handlung – und meist am Wochenende. «Wir haben festgestellt, dass es abends nach der Arbeit nicht viel bringt», sagt Braun. Gut 60 Mal haben die Laiendarsteller insgesamt geprobt, erst im Pleinfelder Mehrgenerationenhaus und dann in der Aula der Grundschule. Da ihre Bühne in der Grundschulturnhalle durch den Schulbetrieb besetzt war, hatten sie nur drei Mal die Möglichkeit, auf der Bühne zu proben.

Zuschauer aus Nürnberg

Herausgekommen ist ein irres Stück, das den guten Ruf der Pleinfelder Sandhosn noch weiter über die Landkreisgrenzen tragen wird. Schon jetzt kommen Besucher bis aus Nürnberg angereist.

In den weiteren Rollen: Andrea Olbrich als bitterböse Jugendamtsleiterin und Thomas Miehling als aalglatter russischer Menschenhändler. Außerdem mit dabei Moderatorin Carola Reichart, Souffleuse Sabrina Gerlach sowie ein Bühnenbild- und Technikteam. Ein Teil des Erlöses aus dem Kartenverkauf wird wie jedes Jahr an eine Pleinfelder Einrichtung gespendet. Alle Aufführungen sind bereits ausverkauft. Nur für die Vorstellung am 5. Januar um 19.30 Uhr gibt es noch Restkarten an der Abendkasse.

KATJA KÖLBL